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Meine Frau ist schwanger und ich nehme zu - warum eigentlich?

Der Bauch wächst, der Rücken schmerzt, die Laune schwankt und der Magen spielt verrückt: Frauen spüren eine Schwangerschaft am eigenen Leib. Doch Studien zeigen: Auch Männer können Schwangerschaftsbeschwerden haben. Und sie werden dick.

Martin hat zehn Kilogramm zugenommen, bei Harry waren es sechs, bei Markus elf. Alle drei haben während der Schwangerschaft ihrer Frauen zugelegt: drei Väter, drei Bäuche. Und alle drei kämpfen seitdem um ihre alte Figur, mit strenger Diät, mit Hilfe von Gymnastikübungen oder mit abendlichen Runden durch den Park.

Frischgebackene Mütter kennen das Problem: Nach der Entbindung gilt es, den Speck aus der Schwangerschaft wieder loszuwerden. Nur: Frauen fragt niemand nach dem Grund für ihren Babybauch. Wenn eine Frau ein Kind erwartet, dann soll sie schließlich zunehmen, am besten gleich um etwa zehn bis fünfzehn Kilogramm. Für Männer dagegen gibt es eine solche Empfehlung nicht. Trotzdem wachsen viele Männerbäuche mit: Martin, Harry und Markus sind keine Einzelfälle. Dutzende junger Väter klagen allein in Internet-Foren ihr Leid, und noch mehr junge Mütter erheitern sich über die Bäuche ihrer Männer – nach dem Motto: „Hier ist keine Rede mehr von Waschbrettbauch, eher Waschbärbauch!“

Im Durchschnitt legen werdende Väter bis zur Geburt rund vier Kilogramm Gewicht zu. Diese Zahl hat die Bremer Psychologin und Geburtsvorbereiterin Ulrike Hauffe errechnet, indem sie 150 Männer auf die Waage stellte, einmal zu Beginn der Schwangerschaft ihrer Frauen, einmal kurz vor der Entbindung.

Übelkeit, Heißhunger und Verstopfung

 Die einfachste Erklärung für das Wachstum der Männerbäuche ist: Ein Paar ändert während der Schwangerschaft seinen Lebensrhythmus. An die Stelle von Ausflügen und Sport treten Kino und Fernsehen, Sitzen und Essen. Die Energie wird nicht mehr verbrannt, sondern umgewandelt in Fett. Doch diese Erklärung greift womöglich zu kurz.

Denn das Dickwerden ist noch nicht alles. Bis zu ein Viertel aller werdenden Väter nehmen nicht nur zu, sie zeigen vielmehr Symptome klassischer Schwangerschaftsbeschwerden. Am häufigsten leiden sie unter schlechter Verdauung: unter Übelkeit, Sodbrennen und Verstopfung. Viele klagen aber auch über Kopf- und Rückenschmerzen, über Heißhunger-Attacken oder gar Depressionen. Forscher sprechen dann von „Parallelschwangerschaften“, von „Sympathieschmerzen“ oder vom „Couvade-Syndrom“.

Die „Couvade“, das sogenannte Männerkindbett, ist ein vor allem bei Naturvölkern verbreiteter Brauch, nach dem sich ein werdender Vater während der Niederkunft seiner Frau rituellen Handlungen zu unterwerfen oder gar deren Wehenschmerz nachzuahmen hat. Derartige soziale Zwänge sind in Europa längst aus der Mode gekommen. Doch viele Männer leiden ganz von selbst mit ihren Frauen mit, psychisch wie körperlich. Und sie werden dick.

Von wegen Neurose

 Männer mit Schwangerschaftsbeschwerden wurden von Medizinern lange als Hypochonder verlacht. Dabei ist das „Couvade-Syndrom“ nicht einfach nur eine Neurose. Vielmehr zeigt sich bei den betroffenen Männern offenbar einfach besonders stark, wie sich der männliche Körper auf die Geburt und das Dasein als Vater vorbereitet. Denn nicht nur der Körper der Frau verändert sich während der Schwangerschaft. Kanadische Forscher haben etwa gezeigt, dass sich der Hormonhaushalt werdender Väter massiv wandelt. Und mit der Hormonumstellung kommen die Beschwerden.

  • So steigen vor der Geburt deutlich die Konzentrationen von Prolaktin und Kortisol im Blut. Prolaktin löst Brutpflegeverhalten aus, bei Frauen ist der Stoff zusätzlich zuständig für die Produktion von Muttermilch. Und Kortisol ist ein Stresshormon, das nicht nur Entzündungen hemmt, sondern offenbar auch eine wichtige Rolle bei der Herausbildung von Mutter- und Vaterliebe spielt.
  •  Außerdem schütten werdende Väter verstärkt Östrogene aus. Das sind weibliche Sexualhormone, die bei Männern zu bemutterndem Verhalten führen.
  •  Dagegen sinkt der Testosteronspiegel um rund ein Drittel. Testosteron ist ein Sexualhormon, das unter anderem Bartwuchs und Muskelwachstum fördert. Es erhöht außerdem die Libido und löst Imponiergehabe und Aggressionen aus – alles das also, was junge Väter offenbar erst einmal unterdrücken sollen.

Mitgefühl oder Gebärneid?

 Warum der Hormonhaushalt der Männer so in Wallung gerät, ist unter Forschern umstritten. Einige Psychologen vermuten, dass sich einzelne Männer derart intensiv in die Lage und die Beschwerden ihrer Partnerin hineinversetzen, dass sie unbewusst ähnliche Leiden entwickeln – sie erleben also eine Scheinschwangerschaft, gewissermaßen aus Solidarität.

Andere Forscher vermuten dagegen als Grund für die hormonellen Veränderungen eher eine Art von Gebärneid: Männer seien unbewusst neidisch auf ihre Frauen, weil diese mit ihrer Schwangerschaft eine intensive körperliche Erfahrung machen dürften, die ihnen selbst vorenthalten bleibe. Der männliche Körper ahme daher die Symptome der Partnerin nach.

Steht also Mitgefühl gegen Gebärneid? Lassen sich die Schwangerschaftsbeschwerden der Männer letztlich doch auf psychische Gründe zurückführen? Im Gegensatz dazu deutet manches darauf hin, dass die Ursache für das Durcheinander der Hormone in Wahrheit von außen an die Männer herangetragen wird: durch Pheromone, also durch Sexuallockstoffe der Frau.

Wie beim Affen, so beim Menschen?

Dieser Verdacht stammt aus der Beobachtung von Weißbüschelaffen. Forscher im US-Bundesstaat Wisconsin haben dabei festgestellt, dass der Körper eines weiblichen Affen von Beginn der Schwangerschaft an Pheromone ausstößt, die über die Luft und über Körperflüssigkeiten den Körper des zugehörigen Männchens erreichen. Dort verändern die Botenstoffe den Hormonhaushalt, und zwar auf eine Art und Weise, die stark dem ähnelt, was bei Männern geschieht.

Die männlichen Affen werden daraufhin ruhiger, sie verzichten auf die Balz und üben sich in Brutpflege. Allerdings haben die Lockstoffe der Weibchen hier eine weitere Wirkung: Unter ihrem Einfluss nehmen die Männchen bis zur Geburt des Nachwuchses um rund zehn Prozent ihres Körpergewichtes zu – und das, obwohl sie nicht mehr Nahrung zu sich nehmen als zuvor. Noch dazu nehmen die Männchen sogar früher und schneller zu als die Weibchen. Dass die Männchen sich einfach nur an den Fress-Attacken ihrer Weibchen beteiligen, schließen die Forscher deswegen aus.

Bei den Weißbüschelaffen sind also letztlich die Lockstoffe des Weibchens dafür verantwortlich, dass die Männchen während der Schwangerschaft ihrer Partnerin dicker werden. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragbar. Vielleicht spielen hier psychische Faktoren eine größere Rolle als Sexuallockstoffe. Immerhin unterscheidet den Menschen ja gerade seine Gabe der Vernunft vom Tier.

Eins dagegen ist sicher: Gesundheitsbedrohlich sind die hormonellen Veränderungen nicht, weder beim Affen noch beim Menschen. Die Symptome des „Couvade-Syndroms“ verschwinden in den allermeisten Fällen mit der Geburt.

Nur das Fett, das bleibt.

 

 

Zum Weiterlesen:

http://www.focus.de/gesundheit/baby/schwangerschaft/tid-19641/couvade-syndrom-maenner-in-anderen-umstaenden_aid_545959.html

 

http://www.news.wisc.edu/12120

 

C. Mayer / K. R. Kapfhammer (1993): Couvade-Syndrom, ein psychogenes Beschwerdebild am Übergang zur Vaterschaft, in: Fortschritte der Neurologie – Psychiatrie 61/10, S. 354-360.