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Babymord – Warum Mütter ihre neugeborenen Babys töten

Die Meldungen sind haarsträubend. Immer wieder und scheinbar immer häufiger liest man über Mütter, die ihre neugeborenen Babys nach der Geburt oder später töten - und zwar teilweise auf grausame Art. Was bringt Frauen dazu, ihre Kinder zu ermorden? Und wie kann dies verhindert werden? Ein bedrückendes, aber dennoch wichtiges Thema.

Der Fachbegriff lautet Kindstötung und bezeichnet die Tötung eines Kindes durch einen Elternteil. Je nachdem, wie alt das Kind dann ist, spricht man auch von Neonatizid beim Neugeborenen, von Infantizid bei Kindern unter einem Jahr oder von Filizid. Letztendlich meinen alle diese Begriffe das Gleiche: Eltern ermorden ihr Kind, eigentlich das wertvollste, was einem Menschen geschenkt werden kann.
 

Jedes betroffene Kind ist eins zu viel!

Laut Aussagen der Deutschen Kinderhilfe aus dem Jahr 2012 werden pro Woche im Schnitt drei Kinder durch Gewalt oder Vernachlässigung umgebracht. Viele davon sind jünger als sechs Jahre. Auch was Misshandlungen und Missbrauch betrifft, sind die offiziellen Zahlen erschütternd, von der vermutlichen Dunkelziffer ganz zu schweigen.

Zwar zeigt sich im Bereich der Kindstötung eine sinkende Tendenz, doch jedes getötete Kind ist eins zu viel. Laut Auffassung der Kinderhilfe ist ein Teil des Problems die Überforderung der Jugendämter, die Hinweisen nicht schnell und nachhaltig genug nachgehen können. Dadurch müssen viele Kinder in schädlichen und für sie lebensgefährlichen Strukturen verbleiben. Durch die uneinheitliche Arbeitsweise der 600 Jugendämter in Deutschland ist es für die betroffenen Kinder ein Glücksspiel: Je nachdem, wo sie leben, sinken oder steigen ihre Chancen auch zu überleben.
 

Wie Mütter zu Mörderinnen werden

Es scheint unvorstellbar, dass Mütter ihre eigenen Kinder töten und dennoch geschieht es. Auch wenn diese Tat unverzeihlich ist – ihr gehen in den allermeisten Fällen schwerwiegende Gründe voraus. Die Öffentlichkeit will davon kaum etwas wissen und bezeichnet solche Frauen als kranke Monster. Dabei könnten zumindest einige dieser traurigen Katastrophen vielleicht vermieden werden, hätte das Umfeld erste Anzeichen erkannt und eine Sensibilität für die Auslöser entwickelt.

Fast immer ist der Babymord der allerletzte Ausweg, dem eine große Überforderung vorausgeht. Viele der mordenden Mütter bringen sich danach selbst um, die Wissenschaft spricht in diesem Fall von einem erweiterten Selbstmord. Häufig lösen die Kinder die unfassbare Tat aus, nur selten sind sie jedoch die Ursache dafür. So können Babys, die sich nicht wie erwartet verhalten, zum Beispiel weil sie nicht trinken oder ständig schreien, Stress und Schuldgefühle bei den Müttern auslösen. Kommen großer Druck von außen und/ oder psychische Probleme hinzu, dann kann eine Kurzschlussreaktion erfolgen und die Mutter zur Mörderin machen. Die Psychologie unterscheidet drei Arten bzw. verschiedene Auslöser der Kindstötung:

  • Schuldgefühle und eine daraus entstehende psychotische Denkweise, die der Mutter das Gefühl geben, sie würde ihr Baby erlösen, wenn sie es umbrächte.
  • Kindsmord aus Rache, wobei dieser Tötungsgrund häufiger bei den Vätern zu finden ist.
  • Kindstötung durch Vernachlässigung liegt dann vor, wenn sich die Mütter nicht um ihr Baby kümmern können oder wollen. Dies kommt häufig in sozial benachteiligten Familien vor.

Oft töten auch Mütter ihre Kinder, die selbst in einer gefühlsarmen Umgebung aufgewachsen sind und keine echte Zuneigung zu ihrem Kind entwickeln können. Der Mutterinstinkt versagt und die Sorge fürs Baby wird zur unzumutbaren Qual. Kommen dann noch die Auswirkungen aus dem Hormonhaushalt hinzu, gerät die gesamte Persönlichkeit ins Schwanken und der Sinn für die Realität geht verloren.



Warnsignale für das Umfeld

Wie bei einem Selbstmord auch gehen der Kindstötung durch die Mutter fast immer Warnsignale voraus. Ein aufmerksames Umfeld kann eventuell großes Leid vermeiden helfen. Gerade perfektionistische Mütter sind unfähig, um Hilfe zu bitten. Deshalb ist es immer auch wichtig auf verschiedene andere Symptome zu achten, die auf eine starke emotionale Belastung hinweisen:

  • Rückzug von der Umwelt
  • Aussagen, die die Tat ankündigen (und die keiner ernst nimmt, weil es einfach undenkbar ist)
  • Aussagen wie „Ich kann nicht mehr!“
  • Liebloses Verhalten und starkes Genervtsein dem Kind gegenüber
  • Ein Negieren der Schwangerschaft vor der Geburt


Stellen Sie fest, dass Ihre – eventuell psychisch vorbelastetete – Partnerin derartige Anzeichen zeigt, ist Vorsicht geboten. Entlasten und trösten Sie sie so gut es geht und sorgen Sie dafür, dass sie nicht mit dem Kind allein bleibt. In eindeutigen Fällen kann es sogar nötig werden, Mutter und Kind zu trennen, um Schlimmeres zu verhindern. Zeigt sich bereits in der Schwangerschaft, dass Ihre Partnerin ungewöhnlich ablehnend auf das Baby reagiert, sollte eine psychologische Begleitung in Erwägung gezogen werden.
 

Babyklappe statt Babymord?

Ein großer Teil der Kindstötungen sind sogenannte Neonatizide, das heißt, die Neugeborenen werden in den ersten 24 Stunden ihres Lebens getötet oder einfach irgendwo abgelegt, wo sie dann unentdeckt sterben. Die Babyklappen, die im Jahr 2000 erstmals in Hamburg eingerichtet wurden, sollten hier entgegenwirken und Müttern, die keinen Ausweg mehr sehen eine Alternative anbieten. Allerdings hat sich laut einiger Studien herausgestellt, dass die Babyklappen nur selten Kindstötungen verhindern können. Als Hauptgrund wird genannt, dass hier die Zielgruppe nicht erreicht wird. Denn um ein Baby in die Babyklappe zu legen, ist planvolles und gezieltes Handeln nötig und gerade dazu sind die betroffenen Mütter kaum mehr fähig.

Es ist eine Katastrophe und uns meist vollkommen unverständlich, wie Mütter ihre eigenen Babys töten können. Gleich wie unfassbar diese Tat ist, sollte sich jeder eins bewusst machen: Diese Handlung folgt meist auf eine große innere Not und ist so gut wie nie ein kühl kalkuliertes Vorhaben. Gerade deshalb ist es wichtig, aufmerksam zu sein und genau hinzuschauen, wenn eine frischgebackene Mutter überfordert und depressiv wirkt.