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Männer in der Midlife-Crisis – soll das schon alles gewesen sein?

Frauen haben die Wechseljahre. Mal milde belächelt, mal mit angemessener Ernsthaftigkeit - niemand zweifelt daran, dass es sie gibt. Bei Männern sieht die Sache anders aus. Die „Midlife-Crisis“ wird längst nicht überall als existent erachtet. Doch es gibt sie, und es handelt sich um eine schwierige Zeit für Männer.

Sex? Heute nicht. Und die Laune insgesamt? Eher mäßig. Eigentlich sogar schlecht, ziemlich schlecht. Wenn Männer in die Wechseljahre kommen – maskuliner klingt Midlife-Crisis – verändert sich eine ganze Menge. Sowohl körperlich als auch psychisch. Der Umgang damit ist nicht leicht. Und die Lösungen vieler Männer sind eher das Bekämpfen von Symptomen als tatsächliche hilfreiche Maßnahmen. Was also tun, wenn die Midlife-Crisis einsetzt?

 

Die Hormone spielen verrückt!

Besonders Frauen müssen sich immer wieder anhören, ihre Hormone würden sie zu Furien werden lassen. Das mag zuweilen stimmen, manchmal ist es aber auch nur ein schwacher Versuch der Männer, sich der Verantwortung für bestimmte Situationen zu entziehen. Männer haben dagegen offiziell (fast) kein Hormonproblem. Tatsächlich stimmt das so jedoch nicht, wie Androloge Wolfgang Harth, Leiter für die Männergesundheit im Berliner Vivantes-Klinikum, weiß. Auch bei Männern stellen sich die Hormone irgendwann im Leben um. Meist geschieht es um den 40. Geburtstag herum. Das hat durchaus Folgen, denn nach und nach verändert sich der Stoffwechsel bei Männern um die Vierzig. Die Konsequenz ist beispielsweise weniger Lust auf Sex. Und gerade das macht den meisten Männern reichlich zu schaffen.

Bin ich sexy?

Natürlich geht es nicht nur um Sex im Leben. Einerseits. Andererseits definieren viele Männer ihre Rolle und ihre Identität noch immer zu einem guten Teil über ihre sexuelle Leistungsfähigkeit. Doch die lässt in der Midlife-Crisis spürbar nach, und das hat auch physische Gründe, denn das für den Mann und seine Sexualität so wichtige Testosteron wird Schritt für Schritt um ca. 1,5 Prozent pro Jahr abgebaut. Das Ergebnis ist weniger Lust auf Sex, nicht selten gepaart mit Erektionsstörungen. Für eine Vielzahl von Männern ist das ein Super-GAU, denn mit der sexuellen Leistungsfähigkeit wird eine insgesamt gesunde männliche Konstitution in Verbindung gebracht.

Das Selbstvertrauen im Keller

Es ist nicht nur die geringere sexuelle Leistungsfähigkeit, die Männern in der Midlife-Crisis zu schaffen macht. Auch andere körperliche Veränderungen wirken sich auf das Wohlbefinden und somit auf das Selbstvertrauen aus. Oft wird der Bauch dicker, und das, obwohl sich am Essverhalten nichts geändert hat. Auch Haarausfall kann zu einem Problem werden. Selbst der tröstende Hinweis auf prominente „echte, wahre Kerle“ wie Bruce Willis kann die Trauer über die verloren gegangene Haarpracht meist nicht bremsen. Es geht eine Verwandlung im Mann vor, mit der er nicht einfach zurechtkommt. Letztlich auch wegen der zahlreichen parallelen Veränderungen, die in der Summe auf das Gemüt des Mannes drücken.

Doch es gibt andere Faktoren, die sich ebenfalls auf den inneren Frieden des Mannes auswirken. Im Job ist alles erreicht, was zu erreichen war, die Kinder sind erzogen und aus dem Haus, um ihre eigenes Leben zu führen, die Partnerschaft ist häufig durch Routine und Gleichförmigkeit geprägt. Was früher ein gewünschter Zustand gewesen sein mag, erscheint in der Midlife-Crisis plötzlich in einem dunklen, fahlen Licht.

Augen zu und durch?

Was also ist zu tun, um der Midlife-Crisis zu begegnen? Einfach abzuwarten, ist in aller Regel nicht der beste Weg und auch keiner, den Männer gern zu gehen bereit sind. Oft verfallen sie allerdings in puren Aktionismus, der nicht nur kaum hilft, sondern auch nach hinten losgehen kann. Männer, die sich scheinbar urplötzlich von ihrer Partnerin trennen, um es mit einer deutlich jüngeren Frau zu versuchen, sind keine Seltenheit. Selbstverständlich kann das aus Liebe passieren, in vielen Fällen ist es jedoch eher der Versuch, sich in eine Zeit zurück zu versetzen, die längst der Vergangenheit angehört.

Krafttraining und Viagra?

Immer wieder flüchten Männer in der Midlife-Crisis in Fitness-Studios, um die innere Leere (und den dickeren Bauch) durch Krafttraining verschwinden zu lassen. Um sexuell wieder leistungsfähiger zu werden, kann schon mal der Griff zu Hormonpräparaten und Viagra in Betracht gezogen werden. Gegen Fitness ist freilich nichts zu sagen, übertreiben sollte man es aber nicht. Und was Hormonpräparate angeht, sind diese riskant und können fatale Auswirkungen haben. Zwar gibt es Konstellationen bei Männern, die für eine Hormonbehandlung sprechen. Doch bevor das gemacht wird, ist eine seriöse ärztliche Analyse notwendig. Der Blick in die bunten Broschüren der Pharmaindustrie hilft dagegen kaum, denn sie versprechen etwas, das im Wesentlichen einem gesteigerten Wunsch nach höheren Umsätzen nachkommt.

Es gibt Hilfe

Männer, die wegen ihrer Midlife-Crisis zu einem Therapeuten gehen? Niemals! So reagieren viele Männer, wenn als Lösungsansatz therapeutische Hilfe vorgeschlagen wird. Tatsächlich jedoch können Therapeuten helfen, wenn das eigene (männliche) Leben aus den Fugen zu geraten scheint. In absoluten Zahlen betrachtet sind es zwar noch immer wenige Männer, die den Weg zu einem Therapeuten wählen, um aus der Krise herauszukommen. Trotzdem werden es stetig mehr.

Und nun? Wie mit der Midlife-Crisis umgehen?

Ob mit oder ohne therapeutische Hilfe – wichtig ist das Erkennen neuer Wege, das Entdecken neuer Ziele. Wie kann ein Neuanfang aussehen? Welche Projekte können für die nächste Zeit entwickelt werden, um dem Leben einen neuen Sinn zu geben. Und auch bei Thema Partnerschaft gilt es, sich mit den Realitäten auseinander zu setzen. Eine Trennung aus der Laune heraus, um mit einer jüngeren Frau seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen, ist sicher nicht der richtige Weg. Das Festhalten an einer Beziehung, die aber womöglich schon seit Jahren in Scherben liegt, ebenfalls nicht. Manchmal muss sich ein Mann auch trennen. Vom Traum der Jugendlichkeit. Von einem Sixpack-Bauch. Und eventuell auch von der Partnerin. Eventuell kann ein Mann aber auch zu der Einsicht kommen, dass sein Leben nun ein anderes ist – und nicht notwendigerweise schlechter.

Ja, Mann kann nicht mehr ganz so wie früher, der Körper setzt allmählich Grenzen. Aber man kann auch mit diesen kleinen Einschränkungen gut leben – und dabei vielleicht andere Prioritäten und Ziele setzen. Die Partnerschaft hat sich verändert, Sex spielt keine so große Rolle mehr? Dafür hat sich in vielen Ehen im Laufe der Jahre eine Beziehung entwickelt, die auf Freundschaft und Verständnis aufbaut, mit der sich das Leben gemeinsam gestalten lässt. Im Job gibt es keine neuen Ziele? Vielleicht ist es dann Zeit, einen Gang zurückzuschalten und das Erreichte mehr zu genießen. Die Kinder brauchen einen nicht mehr so wie früher? Das hat auch Vorteile – man hat mehr Zeit für sich und seine Interessen (ein Hobby, für das man bisher zu wenig Zeit hatte?) und kann mit seiner Partnerin auch einmal einen Urlaub zu zweit machen. Um dorthin zu fahren, wo man schon immer einmal hinwollte und auch, um die Partnerschaft neu zu beleben.

 

Fazit

Bei Männern um die Vierzig setzen hormonelle Veränderungen ein. Häufig kommen zu dieser Zeit auch Zweifel an der eigenen Lebensplanung. Es ist okay, sich zu hinterfragen. Vielleicht hilft ein Gespräch mit einem Freund oder die Meinung eines Fachmanns. Aber man muss als Mann nicht notwendigerweise „Midlife-Crisis“ bekommen. Denn so schlecht ist die Mitte des Lebens nicht. Sie bietet eine ganze Menge Möglichkeiten, das Leben zu genießen. Vielleicht nur ein wenig anders als bisher.