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Erfahrungen eines Teilzeitvaters – über Herausforderungen im Beruf und zu Hause

Teilzeit ist in der heutigen Zeit nichts Ungewöhnliches mehr. Schon gar nicht, wenn Kinder im Haus sind. Zahlreich sind die Publikationen über die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten und Herausforderungen. Meist beziehen sie sich jedoch auf den Job, der in Teilzeit ausgeübt wird. Doch wie steht es mit Teilzeitvätern und ihren neuen Aufgaben zu Hause? Ein Vater berichtet.

Wenn morgens um halb sechs bei Andreas S. und seiner Frau der Wecker klingelt, heißt es, schnell aufzustehen und sich ruhig zu verhalten. Töchterchen Zoé schläft noch mit im elterlichen Ehebett und Andreas möchte unbedingt vermeiden, dass seine kleine Prinzessin wach wird. So hat er noch ein wenig Ruhe, bevor der Tag beginnt. Schon am ersten Tag seiner Zeit als Teilzeitvater schlief Zoé wie ein Stein. Doch Entspannung kam nicht auf bei Andreas, denn er war die ganze Zeit in Sorge, was passieren würde, wenn sie wach wird. Ob sie erst einmal mit einer Panikattacke starten würden, weil die geliebte Mama ein paar Stunden weg ist? Über diesen Punkt ist Andreas hinaus, aber aufregend bleibt seine Rolle dennoch.

KINDER? NIEMALS!

Das war die feste Überzeugung von Andreas und seiner Frau Sabrina. Lieber wollte das Paar reisen, auf Konzerte gehen, Kunst und Kultur genießen. Ein Kind stände dem nur im Weg, so beide im Einklang. Aber – wie so oft im Leben – kam es anders. Sabrina konnte keine Kinder bekommen. Das sagte jedenfalls ihr Frauenarzt, wenngleich er die Formulierung /„mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“/ benutzte. Sicher war dann aber nur eines: Sabrina wurde schwanger. Und plötzlich freuten sich beide darüber. Von einem Tag zum anderen nahm die Lebensplanung komplett neue Formen an. Ausgesprochen schöne Formen, wie das Paar befand. Nun aber begann auch die Planung für das neue Leben.

TEILZEIT: NICHT ALLE WAREN EINVERSTANDEN

Sabrina und Andreas waren sich schnell einig. Sie würden beide in Teilzeitarbeit wechseln. Organisatorisch war das einfach, kurze Arbeitswege, flexible Arbeitszeiten, alles im grünen Bereich. Sollte man denken. Doch nicht jeder sah das so wie das Ehepaar. Einer von ihnen war der direkte Vorgesetzte von Andreas. Ein toller Kollege, das meinte Andreas zumindest bisher. Aber als das Thema Kinder Einzug hielt in Andreas' Arbeitsalttag, war es vorbei mit der Harmonie. Der Vorgesetzte war nicht nur selbst kinderlos, er war zudem ein Karrieretyp, wie er im Buche steht. Und er sah es nicht ein, auf die Belange von Andreas Rücksicht zu nehmen und setzte Besprechungen und Meetings an, wenn Andreas eigentlich schon fast auf dem Weg nach Hause war. Der Konflikt entwickelte sich zu einem wahren Kampf, den Andreas letztlich als Teilerfolg für sich verbuchen konnte. Es kam zwar zu der gewünschten Versetzung, die Andreas mehr Zeit für die Familie ermöglichte. Allerdings war sein Job von nun an stupide und langweilig. Doch das nahm er gern in Kauf.

DER ERSTE MORGEN

Zurück zum ersten Morgen. Sabrina hatte das Haus verlassen, irgendwann wurde unweigerlich Zoé wach. Angstschweiß breitete sich auf Andreas' Stirn aus. Würde sie heulen, schreien, ihn in die Verzweiflung treiben? Nichts dergleichen geschah. Die Kleine schaut sich zwar irritiert um, wollte wissen, wo Mama ist, doch als Andreas ihr erklärte, dass diese später wieder zuhause sein würde, war das völlig in Ordnung für Zoé. Papa war ja da, das reichte für ihren Seelenfrieden aus. Und bescherte Andreas ein zauberhaftes Gefühl, das ihn mit Wärme erfüllte und einen gewissen Vaterstolz aufkommen ließ. Der Ärger mit seinem Chef war Lichtjahre entfernt in diesem Moment. Als Sabrina nach Hause kam, war ihr Blick in Sorgenfalten getaucht. Ganz offenbar hatte sie sich die ganze Zeit über gefragt, ob alles gut gehen würde. Nun wirkte sie zwar erleichtert, aber auch fast geknickt. Sie war stundenlang weg, und ihre Tochter vermisste sie nicht mal ein bisschen? Der erste Morgen war der Beginn eines Lernprozesses - für alle Beteiligten.

ZWEI JAHRE LERNEN

Nach zwei Jahren voller Überraschungen, Wendungen und Anpassung bei der Erziehung oder der bestmöglichen Logistik ging es Sabrina, Andreas und Zoé bestens. Es war nicht alles eitel Sonnenschein, ganz sicher nicht. Doch es wurde immer leichter, Teilzeitarbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Die größte Herausforderung musste Andreas nach etwa 4 Monaten bestehen. Seine Frau hatte Wochenenddienst, und zwar nahezu durchgängig von Samstag bis Sonntag. Das kam selten vor, aber nun war es soweit. Für Andreas war es ein Unterschied, Zoé vier Stunden zu betreuen oder gleich zwei ganze Tage lang für sie da zu sein. Da waren sie wieder, die Schweißperlen, die sich auf seiner Stirn ausbreiteten, als Sabrina die Schlüssel nahm, sie die Jacke anzog und sagte: /„Du schaffst das schon, mein Schatz.“/   Und ja, er schaffte es tatsächlich. Zusammen mit seiner tapferen und souveränen Tochter, die die ganze Problematik mit einem prägnanten Satz aus der Welt schaffte: "/Mama weg, arbeiten. Kommt bald wieder.“/ Damit war das Thema für das kleine Mädchen erledigt. Und die beiden hatten ein tolles Wochenende!

UND DIE KARRIERE?

In seinem alten Betrieb bekam Andreas keinen Fuß mehr in die Tür der Karrieremöglichkeiten. Sein Vorgesetzter hatte ihn „gefressen“, konnte nach wie vor nichts mit der Teilzeitrolle seines Kollegen anfangen, geschweige denn nachvollziehen, was am Vatersein so aufregend sein soll. Für ihn war Andreas niemand, den er weiter oben in anderen Positionen sehen wollte. Doch Andreas hatte zwei Jahre hinter sich, die ihn unglaublich stark gemacht hatten und die ihn seiner Tochter auf eine Weise nahegebracht haben, die er niemals würde missen wollen. Mit seiner Karriere ging es übrigens doch noch weiter. Andreas wechselte in ein anderes Unternehmen und konnte dort all seine Leistungsfähigkeit und Erfahrung unter Beweis stellen. Das neue Unternehmen hatte sogar einen betriebseigenen Kindergarten. So geht es also auch.